„Ein erheblicher Teil aller menschlichen Begegnung besteht darin, dass einer dem anderen 'seine Geschichte' erzählt." (Ferdinand Seibt)* --- Was sind Geschichtenhäuser? --- Geschichtenhäuser sind gesammelte Geschichten um Häuser, Orte und Gegenden.

Die Kirche von Dörgenhausen

Aufgeschrieben von Angret Gläsel

Jürgen von Woyski erzählte mir folgende Begebenheit:

Die Kirchgemeinde Dörgenhausen erteilte ihm den Auftrag, eine Christusfigur für
ihre Kirche, die an der Außenfront über den Eingang angebracht werden
sollte – geschehen etwa in den Jahren 1996/97-98.
Das kleine Kirchlein steht eingebettet in einem anmutigen kleinen Park, ein
Elsterarm fließt leise vorbei, darüber führt eine kleine Brücke zu einer
Häuserzeile.
Einige Schritte vom Park und Kirchlein entfernt steht der Besucher
verwundert und erfreut vor einem Fachwerkhaus. Bis noch vor kurzer
Zeit befand sich hier die Gaststätte „Zum Elstergrund“, das aber ist schon
wieder eine andere Geschichte.
Und somit zurück zu Jürgen von Woyski und seiner Erzählung.
Natürlich nahm er den ehrenvollen Auftrag an und entwarf eine wunder-
bar leise und innige Christusfigur, die dann aus Sandstein gehauen,
geschlagen wurde und dann nach Vollendung ihren Platz für die
die Ewigkeit und für ein Innehalten im täglichen Tun der Menschen.
Dem Eingang der Kirche gegenüber stand eine Bank, die dem Künstler
als Arbeitsplatz diente und hier geschah nun folgendes:

Neben dem Interesse und Neugierde der Dorfbewohner gesellte sich
zum Künstler auf der Arbeitsbank ein aus der Bahn Geworfener mit
der Bierflasche in der Hand.
Aufmerksam verfolgte er das Geschehen und es ergaben sich Ge-
Spräche. Dieser Mann hatte nach der Wende keine Arbeit mehr, ver-
suchte sein Glück im westlichen Teil Deutschlands und scheiterte,
kam zurück und fand keinen Anschluß mehr zur Normalität. Es blieb
die Flasche.
Das Werk ging seiner Vollendung entgegen. Und was ist nun mit
dem Honorar ? Der Pfarrer rief sein Gemeinde auf zur Sammlung.
Der Gast auf der Bank wollte sich beteiligen. Ein Flasche Bier?!
Jürgen von Woyski wurde von der Gemeinde zur feierlichen Einweihung
des „Christkönig“(1998) eingeladen und man überreichte dem Künstler
mit einem Dankeschön einen Lederbeutel mit dem gesammelten.
Honorar.

Jürgen von Woyski besuchte seinen „Christkönig“ und vermisste den
Gestrandeten mit seiner Bierflasche.
Ob er wohl erfroren ist?
Neben der Schaffensfreude bedrückten ihn doch sehr dieses Erlebnis.
Wie kann ein „Christkönig“ helfen? Ist das überhaupt möglich?
Stehe ich vor dieser Sandsteinfigur – „Christkönig“ – muß ich an
dieses Erlebnis denken...